Die Weltwoche; 07.01.2010; Ausgabe-Nr. 01; Seite 13

Die harte Linie hat sich bewährt

Von Andreas Kunz In Aarau haben zwei Linksextreme mehrere Luxusautos in Brand gesetzt. Die Polizei griff durch. Mit Erfolg. Nach wochenlanger Untersuchungshaft gestanden die Täter.

Ein paar Tage vor Silvester, nach sechs Wochen Untersuchungshaft, kam das Geständnis. Ivo L., Gymnasiast, Ärztesohn und ehemaliger Nationalratskandidat der Juso, und Philipp G., Lehrling, gaben zu, im feinen Aarauer Wohnquartier Zelgli zwei Autos des lokalen SVP-Präsidenten Marc Dübendorfer in Brand gesteckt zu haben. Der zuständige Untersuchungsrichter Dieter Gautschi bestätigt, dass die Täter «in zwei Fällen von qualifizierter Brandstiftung (Anschlag gegen Leib und Leben), in vier bis fünf weiteren Fällen von einfacher Brandstiftung sowie wegen Sachbeschädigung angeklagt werden».

Fast ein halbes Jahr lang waren die beiden Zwanzigjährigen frühmorgens um die Häuser gezogen, hatten teure Autos abgefackelt und Hauswände mit politischen Parolen verschmiert. Mitte November steckte die Polizei die beiden in Untersuchungshaft. Doch sie stritten jegliche Beteiligung an den Anschlägen ab. Vor dem Gefängnis kam es zu wütenden Protesten der verbündeten «Genossen», es wurden Parolen skandiert, Feuerwerke gezündet, weitere Wände verschmiert. Auf dem linken Internetforum Indymedia erschienen sogar Adresse und Telefonnummer des Untersuchungsrichters Gautschi (SVP) – mitsamt einem Aufruf zu «kreativen» Massnahmen, um «der Wut Ausdruck zu verleihen».

Polizei sieht oft tatenlos zu

Über die Festtage drohte die Sache zu eskalieren, als sogar ein «Mordaufruf» gegen Gautschi veröffentlicht wurde. Doch der Untersuchungsrichter blieb stur und behielt die beiden Männer in Haft. Mit Erfolg: Es kam zum ersten Fall in der Geschichte des neueren Schweizer Linksextremismus, bei dem die Täter konsequent verfolgt, verhaftet und überführt worden sind.

Seit Jahren sieht die Polizei oft tatenlos zu, wie Linksextreme in Städten wie Zürich, Winterthur oder Bern öffentliche Gebäude verschmieren, Fenster einschlagen, Hinweisschilder zerstören, Briefkästen zumüllen, illegal demonstrieren, Drohungen publizieren und am 1. Mai randalieren und Autos in Brand setzen. Die Taten häuften sich, wie der Inlandgeheimdienst DAP in seinen jährlichen Sicherheitsberichten belegte, doch immer noch galten die Anschläge meistens als Kavaliersdelikte oder Lausbubenstreiche. Sie fanden in den Medien einen Bruchteil der Beachtung, die Rechtsextreme für ähnliche Übergriffe einheimsen würden, und oft scheuten die Polizeikorps den Ermittlungsaufwand, um die Täter zu fassen.

Wahrscheinlich haben auch die beiden Aargauer Polit-Vandalen nie mit einer Verhaftung gerechnet, denn sie stellten sich nicht gerade clever an, als sie für ihre Brandanschläge das Aarauer Wohnquartier auswählten, in dem sie selber noch bei ihren Eltern wohnten. Seit Ende Mai zogen sie an den Wochenenden um die Nachbarschaft und setzten dabei eine alte Corvette, einen Alfa Romeo, BMW und Mercedes in Brand. Prestigetrchtige Automarken; für die Sozi-Pyromanen Symbole des Kapitalismus.

Bald brannte auch ein Auto der Stadtpolizei, und als am 18. Oktober der Range Rover eines SVP-Einwohnerrats in Flammen aufging, begann die Kantonspolizei Aargau, das Zelgli-Quartier mit zivilen Polizisten und technischen Hilfsmitteln intensiv zu überwachen. Am 14. November war es so weit: Ivo L. und Philipp G. hatten soeben die beiden Autos des örtlichen SVP-Präsidenten Dübendorfer «gegrillt», wie es im linken Jargon heisst, und das Feuer hätte beinahe auf das angrenzende Wohnhaus übergegriffen. Kurz danach, morgens um sechs Uhr, holte eine Spezialeinheit der Polizei die Täter aus den Betten ihres Elternhauses und steckte sie in Untersuchungshaft.

Üblich wäre nun gewesen, dass die beiden Delinquenten alles abstreiten und nach wenigen Tagen wieder auf freien Fuss kommen, ohne sich jemals vor Gericht verantworten zu müssen. Die Polizei besass zwar Indizien, aber keine Beweise für ihre Schuld. Doch Untersuchungsrichter Gautschi vertraute auf die laufende Ermittlungsarbeit der Spurensicherung, die mit diversen chemischen Verfahren die insgesamt acht Brandanschläge analysierte und die Täter zu überführen versuchte. Und er vertraute wohl vor allem auch auf den Kulturschock, den die beiden Söhne aus reichem Haus im Gefängnis erlebten.

«Freiheit für alle Gefangenen»

Wochenlang beteuerten sie ihre Unschuld, beklagten sich aber über die Haftbedingungen (ein Fernseher pro Zelle, eine halbe Stunde Auslauf, Bibliothek, aber keine Zeitungslektüre). «Sehr schlecht» gehe es ihnen, schrieben sie ihren «Genossen» in der Freiheit. Als Vegetarier respektive Veganer erhielten sie immer wieder Fleisch und Käse zum Essen und mussten sich mit den Beilagen begnügen, was in zornigen Internetaufrufen tatsächlich als «physische und psychische Folter seitens der Polizei» interpretiert wurde.

Es kam zu «Knastspaziergängen», bei denen Dutzende Demonstranten vor den Aargauer Gefängnissen Parolen wie «Freiheit für alle Gefangenen» skandierten. Es kam zu den Drohungen und dem Mordaufruf gegen Untersuchungsrichter Gautschi, der deswegen unliebsame Sicherheitsvorkehrungen treffen musste. Dann aber kam Weihnachten, das ungewohnt beharrliche Vorgehen der Behörden zeigte Wirkung, und die beiden Brandstifter gestanden.