Aargauer Zeitung / MLZ; 2010-01-07

Politisch motivierte Anschläge

Aarauer Autobrandserie: Die beiden Linksautonomen legten in U-Haft Teilgeständnis ab


Einen Brandanschlag gaben sie zu, in fünf Fällen ist die Beweislage erdrückend. Die Aarauer sassen sechs Wochen in U-Haft – doch das nicht zum ersten Mal. Nun drohen den 20-Jährigen drei Jahre Gefängnis.
michael spillmann

Insgesamt 46 Tage mussten die zwei Schweizer – beide Angehörige der Linksautonomenszene – in Untersuchungshaft schmoren. Einer – Ex-Juso und 2007 Nationalratskandidat – im Polizeikommando, sein Kollege im Bezirksgefängnis. Mit «Knastspaziergängen» solidarisierten sich Gleichgesinnte mit den «Anarchisten», auf einschlägigen Internetseiten lief eine Hetzjagd gegen den zuständigen Untersuchungsrichter Dieter Gautschi, zudem kam es in anderen Kantonen wegen der «Isolationshaft» zu Brand- und Farbanschlägen. Doch die Untersuchungsbehörden liessen sich nicht erpressen.

Während die jungen Männer 17 Sachbeschädigungen ( Sprayereien mit einem Sachschaden von 100000 Franken) eingestanden, wiesen sie eine Beteiligung an den acht Brandanschlägen stets von sich. Als es die Beweislage kurz vor Weihnachten nicht mehr zuliess, kam das Geständnis: Sie gaben zu, Mitte November 2009 die Fahrzeuge des SVP-Ortsparteipräsidenten angezündet zu haben.

Zwei Fälle bleiben ungeklärt

Wie Bezirksamtmann Dieter Gautschi gestern an einer Medienkonferenz sagte, können den zwei Linksautonomen fünf weitere Brandstiftungen «aufgrund der Beweise» zugeordnet werden. Dabei sei «eine politische Motivation» klar erkennbar. Polizeikommandant Stephan Reinhardt sprach von einer «kriminellen Energie» und «konspirativer» Planung. Zwei Brandstiftungen bleiben ungeklärt. Der Gesamtsachschaden beziffert sich auf 250000 Franken. Nach dem Teilgeständnis wurden die zwei mutmasslichen Brandstifter am 30. Dezember auf freien Fuss gesetzt. Eine Flucht- oder Kollusionsgefahr bestehe nicht, so Gautschi.

Bereits die zweite U-Haft

Wie Recherchen zeigen, hatten die jungen Männer bereits vor der Brandserie mit der Justiz zu tun. Sie sassen sogar in Untersuchungshaft. «Es ging dabei um Sachbeschädigungen – um Sprayereien», bestätigte Bezirksamtmann Dieter Gautschi. So ist einer vor etwa zwei Jahren, der andere vor einem Jahr vorübergehend festgenommen worden. Zu einem Strafregistereintrag kam es aber nicht.

Die Ermittlungen im aktuellen Fall seien im Sommer abgeschlossen, vor Gericht kommen die zwei Aarauer frühestens im Herbst. Da in zwei Fällen Gefahr für Leib und Leben drohte, läuft ein Verfahren wegen qualifizierter Brandstiftung. Das Gesetz fordert dafür eine Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren.

Quartier nächtelang überwacht

Bevor die mutmasslichen Täter der Polizei im November in flagranti ins Netz gingen, hatten die Stadtpolizei und die Kapo das Quartier nächtelang überwacht. Wie Polizeikommandant Stephan Reinhardt ausführte, habe die Serie «bei den Bewohnern Angst und Schrecken» ausgelöst. «Wir sind an die Grenzen der Möglichkeiten gestossen», so Reinhardt. Aus einem ersten Kreis Verdächtiger blieben die 20-Jährigen übrig. Polizisten haben das Duo darauf «punktuell» überwacht. Doch den Brandstiftern hätte unter Umständen bereits früher das Handwerk gelegt werden können – Mitte Oktober. So hatten die Ermittler Informationen über einen geplanten Brandanschlag bekommen. Ein Polizist legte sich in der Folge in der Nacht auf den 18. Oktober bei einem Haus im Zelgli-Quartier auf die Lauer. Als er sich nur kurz entfernte, schlugen die Brandstifter zu. Eine sofort eingeleitete Fahndung blieb ohne Erfolg.

UPDATE

In Aarau brannten im Zeitraum zwischen Mai und November 2009 im Zelgli-Quartier insgesamt acht Autos – vornehmlich der gehobeneren Klasse. Am 14. November konnte die Polizei zwei 20-jährige, im gleichen Quartier wohnhafte Schweizer verhaften. Das Bezirksamt Aarau ermittelte wegen mehrfacher qualifizierter Brandstiftung und Sachbeschädigung. (SPI)