20 Jahre und immer noch keine Revolution

Über die Podiumsdiskussion «Ende der Revolution: Oder was ist aus den alternativen Kulturhäusern geworden?»



Foto von kiff.ch – © Thomas Gerstendörfer

Am Donnerstag, 17. Februar 2011 fand im Rahmen der «20 Jahre KiFF»-Feierlichtkeiten eine Podiumsdiskussion zum Thema KiFF und alternative Kultur statt.

Im Rahmen des Jubiläums 20 Jahre KiFF Aarau wollen wir mit Gästen aus Kultur und Politik auf die bewegte Geschichte der Alternativen Kulturhäuser in der Schweiz zurückschauen, aber auch unseren Blick in die Zukunft richten: Was ist seit den besetzten Häusern von damals mit oder trotz staatlichen Subventionen aus ihnen geworden? Werden die Kulturzentren noch ihrer Rolle als unabhängige Orte zum Austausch von Gedanken und Ideen gerecht? Oder ist die Populärmusikkultur sowieso nur ein nicht fördernswerter Unruheherd? Wohin führt der weitere Weg dieser Alternativen Kulturorte und wie soll ihn das KiFF gehen? Der Abend wird musikalisch eingeleitet von Gustav (Solo).

Dies war der Ankündigungstext der Veranstaltung. Ein interessantes Thema, welches sicher zu kontroversen Diskussionen hätte führen können. Mit etwas Verwunderung, las man und frau aber dann die Teilnehmer_innen-Liste der Podiumsdiskussion:
– Jean-Pierre Hoby, ehem. Direktor der Abteilung Kultur Stadt Zürich
– Gustav, Musiker, Fribourg
– Irene Näf-Kuhn, Präsidentin Aargauer Kuratorium
– Etrit Hasler, Betriebsgruppe Rote Fabrik Zürich und Slam Poet
– Christian Kälin, ehem. Präsident KiFF
Die Moderation übernahm Sabine Altorfer (Ressortleiterin Kultur der Zeitung «Sonntag»).

Relativ schnell war klar, dass dies eine nicht optimale (bzw. doch sehr schlechte) Zusammensetzung war. Nicht dass die beteiligten Personen nichts zu erzählen hatten, aber niemand hatte was zum KiFF zu sagen. So was kein_e aktuelle_r Vertreter_in vom KiFF auf der Bühne, kein_e «KiFF-Aktivist_in» (Selbstbezeichnung eines Freiwillen aus dem KiFF), niemand aus einer alternativen Kulturbewegung und schon gar niemand, der/die dem KiFF kritisch gegenüberstand. Jean-Pierre Hoby und Etrit Hasler hatten noch am meisten Einblick in die «alternative Kulturwelt», wobei sich diese bei den beiden auf die Rote Fabrik in Zürich beschränkte. Der Musiker Gustav hatte ausser mit seiner musikalischen Einleitung nicht wirklich etwas zu dieser Diskussion beizutragen. Seine einzigen Statements waren die mehrfache Erwähnung, dass er die Nr. 1 der Schweizer Chorleiter sei, dass es schon in unzähligen Clubs gespielt hat und man/frau auf einer solchen Bühne gar keine Podiumsdiskussion führen sollte, denn Kulturhäuser wie das KiFF seien für Kultur und Konzerte da und nicht für Politik. Nicht viel anders tönte es von Frau Näf-Kuhn vom Aargauer Kuratorium. Sie stellte zwar noch korrekt fest, dass vieles, was sich in den 80er Jahren als «alternative Kultur» nannte inzwischen etablieren konnte, wie z.B. Rock- oder Hiphop-Konzerte. Ihre Aussage, dass es aber gar keine alternative Kultur mehr gäbe, ist dann aber doch sehr naiv und kurz gedacht. Es hat wohl immer und wird bestimmt auch in Zukunft eine «alternative Kulturbewegung» oder eine «Gegenkultur» geben. Dass sich dies über Jahrzehnte ändert ist nur naheliegend. Aber nur, weil das KiFF keine «Gegekultur» macht und schafft, heisst das noch längst nicht, dass es keine Wünsche und Bestrebungen nach Alternativen gibt. Wie es auch Etrit Hasler sagte, zeigt sich dies ja auch im Verhalten der Jugendlichen, die sich viel lieber in der Öffentlichkeit betrinken möchten, als z.B. in Clubs zu gehen. Es bestehen in verschiedenen Städten Forderungen nach unkommerziellen, autonomen Freiräumen oder wirklich alternativen «Kulturhäusern», wie das KuZeB in Bremgarten, die BINZ in Zürich, das LaKuZ in Langenthal oder oder oder… Ach, aber Entschuldigung: Hausbesetzungen gibt es gemäss Gustav schon gar nicht mehr. Grundsätzlich hatte man an diesem Abend sowieso das Gefühl bekommen, dass die heutige Jugend total unpolitisch sei. Es ist zwar so, dass viele Jugendliche ein starkes Konsumverhalten an den Tag legen. Aufgrund dessen, sollte mensch aber nicht gleich auf ein völliges politisches Desinteresse schliessen.

Aber es gab auch schönes am diesem Abend. Die Aussage von Frau Näf-Kuhn, dass das KiFF kein alternatives Kulturhaus ist, ist zwar nicht neu, aber schön, auch mal von «offizieller» Seite zu hören. Nun wäre es schön, wenn das KiFF endlich zu dem steht, was es ist: Ein subventionierter Konsumtempel. An dieser Stelle noch eine Klarstellung: Das KiFF macht ihre Arbeit gut. Es finden regelmässig verschiedenste Veranstaltungen mit regionalen, nationalen oder internationalen Künstler_innen statt. Aber das KiFF steht in einer Reihe mit KBA & Co. Nur weil, dass KiFF nicht kommerziell geführt wird und sich viele Freiwillige beteiligen, ändert das nichts. Es war schon amüsant, als sich Teile des KiFF-Vorstands zu den «basisdemokratischen Strukturen im KiFF» äusserte. Basisdemokratie gäbe es schon noch, jedoch nur noch in den Arbeitsgruppen. Was nunmal nicht sehr viel mit wirklicher Basisdemokratie zu tun hat. Aber das KiFF müsse halt auch professionell geführt werden, um weiterhin ein «Aargauer Leuchtturm» zu sein.

Die IG KiFF ist ein Nonprofit-Verein mit über 400 Mitgliedern, der in den Räumlichkeiten der ehemaligen Kunath-Futterfabrik Kulturveranstaltungen organisiert.
– Der 7-köpfige Vorstand wacht über strategische Entscheide, erfüllt die Controlling-Funktion und betreut die Angestellten.
– Ein 8-köpfiges Team funktioniert als logistisches Zentrum und Bindeglied des emsigen Betriebes. Administrative Aufgaben und die Koordination von Freiwilligen, Betrieb, Programm, Catering, Technik und Werbung sind die Schwerpunkte seiner Arbeit.
– Das Rückgrat des KiFF bilden jedoch die rund 150 freiwilligen Helferinnen und Helfer, die sich in tausenden von Gratisstunden die Arbeit vor und hinter der Kulisse der Veranstaltungen teilen und in vielen Fragen mitentscheiden und gestalten können.
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Die Preise (sowohl Eintrittspreise, wie Getränkepreise) sind im Vergleich zu anderen Lokalen sehr moderat.

Lassen wir mal die organisatorischen Strukturen beiseite. Wer schon einmal im KiFF war, wundert sich wohl an der obenstehenden Aussage, dass die Preise sehr moderat seien. Es ist verständlich, dass nationale/internationale Acts oft eine gewissen Gage brauchen und das Konzert etwas kostet. Aber ein Konzertlokal wo die Preise durchschnittlich bei Fr. 25.– für ein Konzert und bei Fr. 15.– für eine Party liegen wobei ein Bier dann noch zrika 6 Franken kostet, sollte sich doch gut überlegen, die Preise im Vergleich zu anderen Lokalen als «sehr moderat» bezeichnen zu wollen.

Bereits am 16. Dezember 2011, also ein Tag vor der Podiumsdiskussion, widmete sich Kanal K dem gleichen Thema: «K-Punk Kulturwelle: Aargauer Kultur – Ende der Revolution? Alternative Kulturhäuser unter der Lupe: nützliche Plattform oder alter Hut?» Zu Gast im Studio waren Christian Kälin (ehem. Präsident KiFF) und Frank Fischer (Leitung Flösserplatz). In dieser Stunde wurde ebenfalls Munter über die «alternative Kultur» im KiFF (und Flösserplatz) unterhalten. Kritik und Hinterfragung, auch von der Seite von Kanal K, waren eher zurückhaltend. Die Sendung könnt ihr hier bei uns herunterladen >>>

Beide Diskussionen, auch wenn sie noch so gut gemeint waren, blieben ein wahrer Hohn. Keine Diskussion über Alternativen zu KiFF & Co, keine_n einzige_n Vertreter_in aus einer unkomerziellen Bewegung, keine Hinterfragung des KiFF, keine Kritik – dafür viele schöne Worte zum Geburtstag. Naja, wir wünschen dem KiFF noch weiterhin viele tolle Jahre, was sie auch immer damit anfangen mögen. Wirklich freuen wir uns nächstens Jahr auf das 20-Jahr-Jubiläum des Kulturzentrums Bremgarten. Ein wirklicher Ort der Gegenkultur.

Eure «Alternative» ist nicht unsere Freiheit –
Euer Ende ist der Beginn unserer Revolution!



01.03.2011 | (A)argrau