Ein paar Worte zum «Aufstand der Anständigen»

Am Dienstag, 22. September 2015 nahmen in Aarau mehrere Tausend Personen an einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit und für einen «offenen Aargau» teil.

Die SP nutzte die Gelegenheit für Werbung in eigener Sache und der Grossteil der anderen Anwesenden zelebrierte diese Selbstdarstellung in vollen Zügen. Eine kleine Gruppe versuchte mit Transparent und Fyler eigene Inhalte unter die Leute zu bringen. Hier der Text des Flugblattes:

Ein Aufruf für mehr Unanständigkeit

Auf einmal sind sie da: Unzählige Menschen gehen in den verschiedensten Städten in Europa für Geflüchtete auf die Strasse und auf einmal werden Menschen auf der Flucht an Grenzen und Bahnhöfen herzlich empfangen. Es scheint zwischenzeitlich sogar ein gesellschaftlicher Konsens geworden zu sein, dass «wir» «denen» dringend helfen müssen. Aber weshalb gerade jetzt? Dass fast täglich Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken, ist ja nicht erst bekannt, seit Bilder vom toten dreijährigen Aylan in den Medien überpräsent waren. Dass in Syrien oder Nigeria Krieg herrscht und es ganz allgemein vielen Menschen ausserhalb von Europa beschissen geht, wissen wir ja auch schon länger und trotzdem hat sich lange Zeit niemand darum geschert.

Ganz im Gegenteil. Seit Jahren hetzt die SVP gegen Menschen, die in Europa Schutz und eine Perspektive suchen. Und die Medienlandschaft machte munter mit und leistete so ihren Beitrag zur rassistischen Grundstimmung in der Schweiz.

Aber jetzt ist ja alles anders. Wir stehen jetzt ein für einen offenen Aargau und eine offene Gesellschaft. Für alle, statt für wenige. Wir wehren uns gegen Hetze und Diskriminierung. Wir setzen uns für die Würde von geflüchteten Menschen ein. Ja, wir kämpfen jetzt gegen Diskriminierung und Rassismus – und das auf der Strasse, Refugees welcome!

Einen Augenblick bitte, sind das nicht exakt die Worte, welche von der SP, der sozialdemokratischen Partei, für den Aufruf zu dieser Demonstration verwendet wurden? Ja, die SP sagt in diesem Fall das eine, macht dann aber das andere. Zum Beispiel, Menschen in knastähnlichen Lagern, sogenannten Bundesasylzentren unterzubringen. Oder auch einfach nur in Zelten, gar nicht weit von hier, zu der Jahreszeit. Auch bei der SP wird eingeteilt in Menschen, die vor Krieg geflüchtet sind und «Wirtschaftsflüchtlinge», die andere Gründe für ihre gefährliche Reise haben. Die SP steht nachwievor ein für Ausschaffungen, die immer drastische Folgen für die Betroffenen haben. Also keine Spur von Menschlichkeit, Würde oder Offenheit.

Aber wir wollen der SP hier keinen Vorwurf machen. Die SP spielt nur das Spiel mit. Es geht um Stimmen. Bald sind Wahlen und die SP möchte natürlich nicht verlieren, sondern ist einzig und allein an mehr Macht interessiert. Denn darum gehts ja bei Wahlen: Wer regieren darf. Und genau damit sind wir nicht einverstanden. Macht kann niemals ein Instrument für eine offene und solidarische Gesellschaft sein, ganz im Gegenteil. Herrschaft ist der Grund, weshalb Menschen töten und somit auch sterben. Herrschaft ist der Grund, weshalb Menschen verhungern während andere genug zu Essen haben. Herrschaft ist die Ursache für Diskriminierung und Ausgrenzung.

Lasst uns also Politik wieder selber in die Hand nehmen, denn die passiert auf der Strasse und nicht hinter verschlossenen Türen in Sälen. Lasst uns eingreifen bei rassistischen Polizeikontrollen. Lasst uns Menschen helfen, über die Grenzen zu kommen. Lasst uns mit anderen zusammen für ein herrschaftsfreies Leben ohne Grenzen kämpfen, in dem es allen gut geht. Und ja, dafür müssen wir auch unanständig sein, denn was als «unanständig» gilt, bestimmen diejenigen, die etwas zu verlieren haben. Und das sind bestimmt nicht wir. Eine andere Welt ist möglich, doch dafür müssen wir kämpfen, nicht wählen.

Einige aarauer Anarchist*innen

Auch «Schwarzer Stern» – das autonome Polit-Magazin auf Kanal K – hat darüber berichtet >>>

25.09.2015